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Belmin Bikic spielt seit seinem 16. Lebensjahr für Geld

Belmin Bikic spielt seit seinem 16. Lebensjahr für Geld

Foto: Belmin Bikic (rechts) sagt: „Wenn ich Geld für Fußball bekomme, ist das völlig in Ordnung.“


Fußball. „Milliardenspiel Amateurfußball – Wenn das Geld im Umschlag kommt“, so hieß am letzten Mittwochabend eine Dokumentation von Hajo Seppelt, Arne Steinberg, Wigbert Löer und Benjamin Arcioli in der ARD. Das Quartett ist der Frage nachgegangen „Wieviel Geld fließt im deutschen Amateurfußball?“

Die bisher größte Online-Befragung zur Bezahlkultur im deutschen Amateurfußball, an der im Jahr 2020 über 10.000 Amateurfußballer teilnahmen, zeigt, dass in den Ligen unterhalb des Profifußballs viel Geld fließt, das oft bar im Briefumschlag gezahlt wird, ohne dass die Beteiligten Steuern und Sozialabgaben abführen.

Unter den Befragten war auch Belmin Bikic, der beim FC Stadthagen in der Kreisliga kickt. „Schon mit 16 habe ich das erste Mal für Geld gespielt. Ist ein guter Nebenverdienst in meinem Alter“, spricht der 24-Jährige freimütig in die Kamera. „Geld ist auf jeden Fall ein Thema in der Mannschaft. Man weiß schon, wer in der Gehaltsklasse oben und wer unten steht.“ Bikic ist ein talentierter Offensivfußballer, viele Vereine wären bereit, für seine Dienste in die Tasche zu greifen. „Im Amateurfußball schießt Geld auf jeden Fall Tore. Wenn du in unteren Klassen zwei, drei Spieler hast, die aus einer viel höheren Liga kommen, schießen die die ganze Liga kaputt, weil der Leistungsunterschied viel größer ist.“ Wenn er Geld für Fußball bekomme, sei das völlig in Ordnung, so Bikic.



60,2 Prozent der Befragten im Alter von 18 bis 39 Jahren haben einmal oder öfter Geld fürs Fußballspielen bekommen. Sie erhielten einen monatlichen Festbetrag, sowie Punkt- und Siegprämien. Im Beispiel-Monat Oktober 2020 wurden in der 5. Liga 89,9 Prozent aller Spieler bezahlt, in der 6. Liga 76,7 Prozent, in der 7. Liga 50,9 Prozent und in der 8. Liga 36,4 Prozent. Im Amateurfußball der Frauen spielt Bezahlung dagegen so gut wie keine Rolle.

Neben der Barzahlung im Umschlag haben 18,2 Prozent Sachwerte und Dienstleistungen fürs Fußballspielen erhalten. „Die Lösungen für die Entlohnung sind dabei oft kreativ. Urlaubsreisen, Handwerksarbeiten, Führerschein, Baugrund, Leasingfahrzeuge, Schein-Minijob, Spielekonsole, Fernseher, Dachausbau, Mietwohnung, Scheinanstellung als Jugendtrainer, um nur einige Beispiele zu nennen“, so Seppelt.

Die Befragung hat gezeigt, dass in einer Saison mehr als eine Milliarde Euro in die Taschen der Amateurfußballer fließen, davon mehr als 500 Millionen als Schwarzgeld. Als Aufwandsentschädigung dürfen 249,99 Euro pro Monat an die Spieler gezahlt werden. Ist es mehr, muss ein Amateurvertrag abgeschlossen werden, und dann sind Steuern und Sozialabgaben fällig. Von den etwa 700.000 Amateurfußballern hatten in der Saison 2020/21 8500 einen Amateurvertrag. Also nur rund ein Prozent waren vertraglich gebunden.

Den Vereinen und Spielern ist oft nicht klar, welche Konsequenzen ihnen drohen. „Wenn es schwarze Kassen gibt, ist das schon ein Straftatbestand, das ist nämlich Untreue“, sagt Thomas Summerer, Anwalt für Sportrecht in München. „Es ist ein Verstoß gegen die Statuten des DFB, der Uefa und Fifa. Dementsprechend können Sanktionen verhängt werden. Die Vorgänge können für Amateurvereine existenzbedrohend sein. Den Vereinen droht der Entzug der Gemeinnützigkeit und führt zur Nachversteuerung, was für viele kleinere Vereine in die Insolvenz führen kann.“

Auch die Spieler können massive Probleme bekommen. „Sie müssen nicht nur die Bargeld-Einnahmen versteuern, sondern auch die Sachbezüge“, so Summerer. „Wenn sie das nicht machen, dann ist das Lohnsteuerverkürzung, Steuerhinterziehung. Es drohen Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren oder Geldstrafen.“   

Der talentierte Offensivfußballer Belmin Bikic (rechts) kickt in der Kreisliga und ist einer der Leistungsträger im Team des FC Stadthagen.