Marcus Reineke: Weltmeister und mehrfacher Deutscher Meister im Eisschwimmen
Minus zwei Grad Lufttemperatur, plus drei Grad Wassertemperatur – kein Problem für hartgesottene Eisschwimmer. Weltmeister Marcus Reineke steigt in die Fluten der Weser und zieht einsam seine Trainingsbahnen.
„Der erste Moment tut weh, die Luft bleibt weg, der Puls rast. Ein Schock für den Körper, Adrenalin und andere Stresshormone werden ausgeschüttet. Erst nach etwa drei Minuten lässt der Schmerz nach, die Atmung beruhigt sich, der Puls geht runter“, erklärt Reineke.
Die Blutgefäße an den Außenseiten des Körpers ziehen sich zusammen, das Blut schießt ins Innere des Körpers und durchflutet vermehrt die lebenswichtigen Organe, um sie möglichst warm zu halten. „Nach etwa acht Minuten geht es in die Unterkühlung, Arme und Beine fangen wieder an zu schmerzen, die Hände verkrampfen und man spürt sie nicht mehr“, beschreibt Reineke die Reaktion des Körpers. „Wenn man länger als zehn Minuten im eiskalten Wasser ist, sinkt die Körpertemperatur ungefähr auf 34 Grad, die Koordination geht verloren, dadurch wird es immer schwieriger, technisch sauber zu schwimmen.“
Beim Eisschwimmen muss das Wasser kälter als fünf Grad sein, das schreiben die Richtlinien der Internation Ice Swimming Association (IISA) vor. Neoprenanzüge sind verboten, die Strecke muss in normaler Badekleidung – also in Badehose, Badekappe und Schwimmbrille – zurückgelegt werden. „Ganz wichtig ist die Badekappe“, sagt Reineke. „Tief über die Ohren und in die Stirn gezogen schützt sie den Kopf vor Auskühlung. Und das ist äußerst gefährlich – man kann dabei sogar das Bewusstsein verlieren. Deshalb gibt es zwei Sicherheitsmaßnahmen: Nie allein ins Wasser gehen, an Land muss immer ein Helfer parat stehen und eine Sicherheitsboje soll im Notfall den Schwimmer über Wasser halten.“
Wird das Wasser verlassen, kommen die Nadeln. Überall piksen sie, von den Beinen hoch bis in die Schultern und Arme. Die Füße und Hände sind zu taub für die Nadeln – das macht es schwierig, die Leiter wieder nach oben zu klettern. „Wenn ich aus dem Wasser steige, zittert der ganze Körper. Das ist eine Reaktion der Muskeln auf den Wärmeverlust. Das Zittern dauert etwa so lange, wie man sich im Wasser aufgehalten hat. Egal, ob man sich schnell anzieht und dick verpackt oder ein Bad im warmen Wasser nimmt“, so Reineke.
Das Schwimmen wurde dem 48-jährigen Reineke quasi in die Wiege gelegt. Vater Georg spielte Wasserball, Mutter Elisabeth schwamm auch noch in den Altersklassen von Erfolg zu Erfolg. Schon mit vier Jahren lernte der kleine Marcus das Schwimmen, trat bald dem SSF Obernkirchen bei und bestritt mit fünf Jahren seinen ersten Schwimmwettkampf in Bückeburg. Schon in jungen Jahren übernahm er Verantwortung als Trainer im Nachwuchsbereich. Schwimmen war seine große Leidenschaft. Und er machte sein Hobby zum Beruf.
Nach dem Abitur in Rinteln im Jahr 1989 studierte er in Hannover Betriebswirtschaft. Danach verdiente er als Controller in verschiedenen Unternehmen sein Geld. Aber der Job wurde ihm zu öde. Und so gründete er im Jahr 2006 die Schwimmschule Reineke und machte sich selbständig. Im Jahr 2009 kaufte Reineke in Bad Eilsen ein kleines Schwimmbad, wo er von Montag bis Samstag Schwimmkurse für Mädchen und Jungen, Babyschwimmen, Anfängerschwimmen für Erwachsene, Kurse für Kraulschwimmen und Aquafitness anbietet.
Die großen Erfolge feierte Reineke in den Altersklassen. Dabei waren die 200-Meter-Brust seine Paradedisziplin. Elfmal Deutscher Vizemeister, viermal Internationaler Luxemburgischer Meister, zehnmal Norddeutscher Meister, 51 Mal Landesmeister, 45 Mal Bezirksmeister, amtierender Kreisrekordler über 50, 100 und 200 Meter Brust sowie über 200 Meter Schmetterling lautet die einmalige Bilanz. Zu den größten Erfolgen gehören die Deutschen Meisterschaften über 400 Meter Lagen (2002) und über 200 Meter Brust (2009) sowie die Vize-Europameisterschaft über 200 Meter Brust in den Jahren 2005 und 2009.
„Im Jahr 2012 hatte ich plötzlich keine Lust mehr auf Beckenschwimmen“, erinnert sich Reineke. „Nach einem Hängejahr versuchte ich mich im Jahr 2014 im Freiwasserschwimmen. Es folgten einige Wettkämpfe. Aber die Erfüllung war das noch nicht. Ich suchte eine besondere Herausforderung. Und so kam es zu den ersten Versuchen im Eisschwimmen.“ Die ersten Wettkämpfe folgten im Winter 2015/16.“
Bei den Internationalen Estnischen Meisterschaften belegte Reineke über 450 Meter bei einer Wassertemperatur von ein Grad Platz vier in der offenen Klasse und Platz zwei in der Altersklasse, bei den Ice Swimming Dutch Open Platz eins über 450 Meter und Platz zwei über 50, 200 und 1000 Meter. Bei den Ice Swimming German Open wurde Reineke Zweiter über 50 Meter Brust, Dritter über 500 Meter und Vierter über 1000 Meter. Den Ritterschlag der Eisschwimmer erhielt Reineke im Februar 2015. Er absolvierte als vierter Deutscher die Eismeile (1610 Meter). In Deutschland haben das bis heute sechs Schwimmer geschafft, weltweit 180.
Das beste Jahr als Eisschwimmer war das Jahr 2017. Für einen Paukenschlag sorgte der Rintelner bei den Weltmeisterschaften und Deutschen Meisterschaften in Burghausen. In der Altersklasse 45 bis 49 Jahre gewann der Extremsportler über 1000 Meter Brust in einer Zeit von 13:38 Minuten die Weltmeisterschaft. Bei den Deutschen Meisterschaften holte er sich den Titel über 50 und 200 Meter Brust sowie über 500 Meter Freistil.